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Bärtierchen, Gelbe-Rüben-Carotin und das DIY-Raman-Spektrometer (V)

Es bleibt hart für unsere Leserinnen und Leser. Das sentimental befrachtete, knuddelig "unwissenschaftliche" Bärtierchen, wie wir es hier hundertfach vorgeführt haben, bleibt noch eine Weile außen vor. Nicht enttäuscht werden jedoch all diejenigen, die offen genug sind, unserem etwas anspruchsvolleren Ausflug in die Welten der Raman-Spektroskopie mit Herz und Hirn zu folgen.

Im letzten Journal erklärten wir, wie ein lediglich daumengroßer, grüner Laser in den Strahlengang eines Mikroskopes integriert werden kann. Leider liegen dann immer noch einige Steine - okay, Felsbrocken - auf dem Weg zu den fertigen Raman-Spektren. Spektren-Endergebnisse mit konkretem Bezug zu den Bärtierchen wurden hier bereits vorab, und zwar im Februar und März gezeigt.

Auf dem Weg durch die Felsbrocken zu diesem spektralen Endziel gilt es zunächst, die Eigenschaften des grünen Lasers bestmöglich zu verstehen. Hierbei genießen wir paradisische Voraussetzungen: Die intellektuelle Eleganz eines Selbstbau-Instrumentes beruht nicht zuletzt, ja sogar in besonderem Maße auf seiner Variabilität. Wir können es problemlos zur Komponenten-Selbstdiagnose nutzen! So ist es beispielsweise möglich, auch den Anregungslaser alleine spektroskopisch zu betrachten. Das schaut dann so aus:


[ Grüner Laser in der VIS-Spektroskopie ]

Abb. 1: Der in unserem Projekt verwendete, im letzten Journal abgebildete, grüne Laser zeigt hier seine Grundeigenschaft im Spektrometer: Er erzeugt extrem schmalbandiges und sehr intensives, grünes Licht mit exakt 532 nm Wellenlänge. Diese Strahlungscharakteristik ist typisch für viele andere grüne Laser in der 50 € Preisregion. Das Lasersignal für diese orientierende Messung ist übrigens sehr viel weniger intensiv als bei unseren späteren Raman-Messungen. Seine Gesamtenergie wurde durch zwei Graufilter und eine vergleichsweise kurze Messzeit von 100 Millisekunden um Faktor 1.000 reduziert. Bei voller Intensität und der von uns standardmäßig eingesetzten Messzeit von 2.000 Millisekunden würde das Lasersignal im Diagramm demnach eine Höhe von 100 m erreichen! Vielleicht sollte man den Monitor insofern besser hochkant aufstellen?

[ Darstellung von Laserwellenlänge und Laserbandbreite ]

Abb. 2: Derselbe, gedimmte Laser wie oben, bei stark gespreizter Wellenlänge. In dieser höher auflösenden Darstellung wird erkennbar, dass der Laser tatsächlich grünes Licht mit exakt 532 nm Wellenlänge erzeugt. Wie praktisch alle grünen Laser (sogenannte DPSS-Laser) ist er überdies erstaunlich temperaturstabil, ändert seine Wellenlänge bei den üblichen Betriebstemperaturen nicht merklich. Weiterhin lässt sich im Diagram die Bandbreite FWHM ("Full Width at Half Maximum") ablesen. Sie liegt bei knapp 1 Nanometer - für unsere Zwecke ausreichend.

[ Darstellung wie zuvor, mit Raman Shift Skalierung ]

Abb. 3: Bei der Raman-Spektroskopie wird die Lage der substanzspezifischen Banden auf der x-Achse als sogenannter Raman Shift (das heißt als Verschiebung gegenüber der Laserwellenlänge angegeben). Man benutzt als Einheit dieser Verschiebung den Kehrwert der Wellenlänge [1/cm], auch Wellenzahl genannt. Dies erscheint auf den ersten Blick verwirrend, ist jedoch lediglich ein mathematischer Kunstgriff, dank dessen die Raman Shift Werte auch bei anderen Laserwellenlängen konstant bleiben. So zeigt beispielsweise ein Diamant unabhängig vom eingesetzten Laser immer einen Raman-Shift von 1332 cm-1. In denkfaulen Momenten, denen wir alle gelegentlich unterliegen, kann man sich eines Live Nanometer zu Raman Shift-Umrechners im Internet bedienen.

Können wir nun einfach den Laser einschalten und sofort ein Spektrum wie das unten gezeigte erzeugen? Leider nein!


[ Carotin Raman Spektrum ]

Abb. 4: Unkorrigiertes Raman-Rohspektrum von ß-Carotin (diesmal kein Bärtierchen-Carotin, sondern das Carotin aus einer Drogeriemarkt-Neurotiker-Carotinpastille). Starke Carotinbanden bei Raman Shift Werten von etwa 1.000, 1.150 und 1.510. Wenn man bedenkt, dass das oben gezeigte Spektrum des Lasers sehr stark und überdies um Faktor 1000 gedimmt ist, wird klar, dass das hier gezeigte Spektrum seine Existenz einer starken Filterung verdanken muss. Der Laser wird hierbei fast vollständig ausgeblendet; Man beachte das vergleichsweise kleine Spitzchen des ursprünglichen 100 Meter Signals. Erreicht wird diese enorme Dämpfung durch einen sogenannten Longpass-Filter (veritables High-Tech), der im vorliegenden Fall alles Licht unterhalb eines Raman Shifts von 350 cm-1 extrem stark dämpft, jedoch das längerwellige Licht mit den Ramansignalen durchlässt: daher der Name Longpass. Messzeit 2.000 Millisekunden. Gemittelt über 10 Durchläufe.

[ Carotin Raman Spektrum ohne Longpassfilter ]

Ab. 5: Die Raman-Katastrophe - ein Carotin-Spektrum, versuchsweise ohne Longpassfilter aufgenommen. Man hätte ja hoffen können, dass dies bei einem guten Spektrometer kein Thema sein sollte: Lediglich in der unmittelbaren Nähe des Raman Shift Wertes null würde dann das extrem starke Lasersignal erscheinen und rechts davon die erwünschten, viel schwächeren Ramansignale - alles feinsäuberlich getrennt. Leider wird jedoch das Spektrometer ohne den erwähnten Longpassfilter von der Laserstrahlung regelrecht geflutet. Das Ergebnis ist völlig untauglich - im Spektrum sind keine brauchbaren Carotinbanden mehr zu erkennen.

[ Carotin Raman Spektrum ohne Linefilter]

Abb. 6: Leider leider gibt es noch mehr Fallstricke. Zwar erzeugt der grüne Laser in der Hauptsache Licht mit einer Wellenlänge von 532 nm. Nebenbei treten jedoch noch andere, viel viel schwächere Laserbanden auf. Man kann diese unerwünschten Seitenbanden des Lasers nun mit einem sogenannten Linefilter unterdrücken. Dieser Filter macht das Lasersignal nicht schmalbandiger, er löscht jedoch praktisch alle Seitenbanden. Wenn man den Linefilter weglässt können im Spektrum neben den Ramanbanden Laserbanden auftreten, die als messtechnische Artefakte zu Verwirrung führen. Das obige Carotin-Spektrum ist ohne Linefilter aufgenommen. Im Vergleich mit Abb. 4 fällt eine zusätzliche Bande bei einem Raman Shift von knapp 1.900 auf - ein reines Laserartefakt. Trotzdem ist in diesem Fall das Carotin noch gut als solches zu erkennen. Man vergleiche auch die insgesamt niedrigeren Intensitäten in Abb. 4, eine Nebenwirkung des ansonsten segensreichen Laser-Linefilters.

[ Carotin Raman Spektrum - Partielles Durchlagen des Lasers]

Abb. 7: Abhängig von den Messbedingungen und den Probeneigenschaften können die Störungen allerdings auch stärker dominieren. Im obigen Beispiel (wieder Carotin) ist der Laser insgesamt schlechter ausgeblendet, weshalb auch die Artefaktbande im Vergleich zum Nutzspektrum noch stärker erscheint. Und auch hier ist der Longpass-Filter mit dabei, sonst hätten wir wieder eine spektrale Katastrophe wie in Abb. 5.

[ Raman Carotin Spektrum - Störung durch Energiesparlampe ]

Abb. 8: Und wenn wir schon mal bei den Problemen sind: Da wir im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes messen, können auch Artefakte durch Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen und Tageslicht auftreten. Die zusätzliche Bande im obigen Spektrum bei einem Raman Shift von ca. 2.420 erscheint sofort, wenn in der Nähe des Messinstrumentariums eine Energiesparlampe eingeschaltet wird.

[ Raman Carotin Spektrum - Störung durch unterschiedliche Sensorpixel-Empfindlichkeiten ]

Abb. 9: Eine weitere Fehlerquelle: Hier wurde vergessen, das Sensor-"Untergrundleben" zu berücksichtigen. Die gezeigten Störungen entstehen, weil die unterschiedlichen Empfindlichkeiten der einzelnen Messzellen des CCD-Sensors (einem langen Band aus vielen Sensorpixeln) nicht vorab gemessen und in das Endergebnis eingerechnet wurden. Manche Spektrometer erzeugen und berücksichtigen den sogenannten "Black Frame" mit der Sensorcharakteristik vollautomatisch, bei einfacheren Geräten wie dem unseren muss der Operator zweimal messen, einmal zur Ermittlung der Sensorcharakteristik und ein zweites Mal zur Ermittlung von Sensorcharakteristik plus dem Laserlicht mit der Probeninformation. Die zweistufige Messung hat den Vorteil, dass in der Intensität flatterhafte Messzellen des LCD-Detektors schneller erkannt werden und man entsprechend reagieren kann, beispielsweise durch einfache Wiederholung oder eine Abkühlpause für den geschundenen Detektor.

Auch wenn das alles nun ein wenig zäh erscheinen mag, eröffnet die experimentelle Raman-Spektroskopie einen für Mikroskopie-Amateure vergleichsweise einfachen und preiswerten Zugang zur spektroskopischen Mikro-Analytik, der noch vor wenigen Jahrzehnten wegen des Fehlens des grünen Lasers, wegen der mangelnden Verfügbarkeit von hochwertigen Filtern und den noch in den Kinderschuhen steckenden CCDs undenkbar war.


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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach