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Lupen für Fortgeschrittene (XII)
Professionelle Brennweitenmessung für Amateure - mehr Ergebnisbeispiele

Wir bleiben weiterhin im Kleinen - trotz der globalen Schräglagen, an denen wir nach wie vor nichts ändern können.
Im Juli-Journal hatten wir in diesem Sinne die Theorie einer Methode zur Brennweitenmessung von einfachen Linsen, Mikroskopobjektiven und starken Lupen abgeleitet, im August das zugehörige praktische Vorgehen bei der Messung dargestellt und im September erste Ergebnisse präsentiert.

Diesmal geht es vorrangig um Lupen, bei denen die aufgedruckte oder eingravierte Beschriftung nicht so ganz bzw. ganz und gar nicht mit unseren Messungen in Einklang steht. Und im Zweifel liegt der Fehler selbstverständlich bei uns!


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Abb. 1: 6 LED "10x" Einschlaglupe - gemessene Vergrößerung 9x
Wie in den früheren Ausgaben des Journals bereits erschöpfend erläutert, ist dies eine perfekte Bärtierchenlupe - wohlgemerkt nur zum Auffinden der Bärtierchen. Für die nachfolgende, genauere Betrachtung und Genus-Zuordnung benötigen wir natürlich nach wie vor ein Mikroskop.


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Abb. 2: 6 LED "30x" Einschlaglupe - gemessene Vergrößerung 15x

Technische Anmerkungen zu Abb. 2: Im Prinzip eine grandiose Idee, nämlich die Kombination eines echten Tripletts (das steckt da tatsächlich drin!) mit LED-Ringlicht und wahlweise einschaltbarem UV. Die anscheinend irreführende Beschriftung markiert lediglich ein rein formales, deklaratorisches Problem, ganz einfach weil man mit einer 30fach Lupe dieses Linsendurchmessers ohnehin kein klares Bild bekäme und somit mit der real vorliegenden 15x Vergrößerung besser bedient ist.
Nutzerbeurteilung: Die 10fach Lupe gefällt uns besser, ist im Freien leichter zu bedienen - obendrein empfinden wir eine 15fach Lupe als weder Fisch noch Fleisch, auch nicht als sinnvolles Tofu! - Punkt und aus.



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Abb. 3: Eine massiv metallische Handlupe - gemessene Vergrößerung 7x (!). Die auf dem Foto sichtbare Beschriftung signalisiert "30X36", was üblicherweise als 30fache Vergrößerung bei einem Linsendurchmesser von 36 mm zu lesen wäre. Darunter prangt ein stolzes "MADE IN GERMANY", das man besser nicht allzu ernst nehmen sollte.

Technische Anmerkungen zu Abb. 3: Das verschraubte, zweiteilige Metallgehäuse besteht aus einem perfekt rotgold eloxierten Aluminium (weshalb die das Grundmaterial freilegende Beschriftung grau kontrastiert). Wenn man das geriffelte, satt im Gewinde laufende Oberteil abschraubt, offenbart sich ein einfaches Innenleben: Zwei bikonvexe Linsen von 36 mm Durchmesser (dieses Detail stimmt exakt mit der Beschriftung überein!) werden von einem 13,5 mm hohen, vorbildlich schwarzen Kunststoffring perfekt wackelfrei auf Abstand gehalten.
Wir haben zwei Brennweitenmessungen des Verbundsystems durchgeführt und hierbei Werte von 35,06 mm bzw. 35,09 mm erhalten, woraus sich eine 7,1-fache Vergrößerung errechnet. Krass falsch deklariert. Viel Metall und Glas, dementsprechend solides Gewicht von 48,3g.
Nutzerbeurteilung: Das Gehäuse sieht wirklich - ohne jegliche Übertreibung und Ironie - wunderschön solide, ja geradezu futuristisch-raumschiffassoziativ rotgolden aus. Und das perfekt geformte, geriffelte Oberteil verführt regelrecht zum Anfassen. Das Haar in der Suppe liegt allerdings, wie bereits in obiger Bildunterschrift konstatiert, bei der de facto lediglich 7fachen Vergrößerung. Diese reicht immerhin aus, um beispielsweise die Pixel eines Computer-Flachbildschirms in ihrer schönen Rechteckigkeit zu bestaunen und ein knapp 3 cm großes Sehfeld im Überblick zu behalten. Und was die "30" in der Aufschrift wohl bedeuten soll? Wir wissen es auch nicht. Vielleicht ist es einfach nur eine Art Egoschmeichler für die stolzen Billigpreis-Käufer im Westen ...



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Abb. 4: Eine weit verbreitete, extrem preiswerte 10x/20x Doppel-Einschlaglupe

Technische Anmerkungen zu Abb. 4: Angesichts des geradezu spottbilligen Verkaufspreises dieser Lupen wäre es vermessen, hier ein Triplett, geschweige denn das ebenfalls auf der Griffschale schriftlich deklarierte Fünflinsensystem ("FIVE ELEMEMTS") zu erwarten. Bei den "10x" und "20x"-Elementen handelt es sich statt dessen um einfache Zylinderlinsen, keine Mehrfachsysteme. Das Gehäuse besteht aus Metall und wird durch solide Nieten zusammengehalten - dies ist im Zweifel zuverlässiger als eine ansonsten gelegentlich anzutreffende Verschraubung der Griffschalen: Da es am Gehäuse einer Einschlaglupe praktisch nie etwas zu warten oder zu reparieren gibt, machen Schräubchen wenig Sinn, zeigen vielmehr die traurige Tendenz, sich irgendwann klammheimlich aus dem Staub zu machen. Die Lupe wird in einer passgenau mit Schaumstoff gefütterten Kunststoffdose samt transparentem Deckel geliefert. Als Vergrößerung haben wir für die "10fach"-Optik einen Wert von rund 7,5x gemessen, für die "20fach"-Optik 11,1x. Gewicht 46,6 g.
Nutzerbeurteilung: Auch wenn die Vergrößerungswerte fernab vom Soll liegen, kann man mit dieser Lupe durchaus etwas sehen - vorzugsweise in der Bildmitte. Die Abbildungsqualität geht in Ordnung, wenn man nicht allzu hohe Ansprüche an Planarität und Farbreinheit stellt. Das Gehäuse wirkt solide und die einfachen Zylinderlinsen bestehen immerhin aus Glas. Mit dem Glas ist man, im Vergleich zu so manchen angeblich "achromatischen" Kunststofflinsen meist auf der sicheren Seite. Und wer jetzt behauptet, dass falsche Vergrößerungsangaben ein Fernost-Phänomen seien, der möge bitte bedenken, dass wir auch beim wunderschön gestalteten "West Germany"-Octoscop statt der auf dem Gehäuse vermerkten 28x Maximalvergrößerung trotz emsiger Mess-Bemühungen immer nur einen Wert von etwa 20x finden. Deshalb: Locker bleiben und das alles nicht zu ernst nehmen!



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Abb. 5: Eine sehr kleine "14x Hastings triplet" Einschlaglupe.

Technische und globalwirtschaftliche Anmerkungen zu Abb. 5: Die Optik ist in einer schwarzen Kunststoffeinhausung untergebracht und wird von einer sauber vernieteten Stahl-Griffschale gehalten. Das Gerät erscheint im eingeklappten Zustand, mit einer Gehäuselänge von nur 26 mm, ausgesprochen winzig. Kein Wunder, dass es deshalb im Internet zu Beschwerden naiver Käufer kommt, die vermutlich eher eine gering vergrößernde Senioren-Leselupe kaufen hätten sollen. Optisches Element ist jedenfalls, wie ja auch aufgrund der "Hastings"-Beschriftung zu erhoffen, tatsächlich ein verkitteter Dreilinser, mit einem Durchmesser von 12,5 mm. Von uns gemessene Vergrößerung: 12x. Das stimmt nun natürlich nicht besonders gut, liegt im Vergleich zum Kandidaten von Abb. 3 jedoch immer noch ziemlich nahe am Zielgebiet. Gewicht 10,0 g. Das Instrument passt in eine Pillendose und schaut chic aus.
Als messerscharfe Beobachter, die wir Mikroskopiker nun mal sind, bleibt zu konstatieren, dass im Internet zeitgleich eine augenscheinlich baugleiche Lupe mit interessant variierter Beschriftung offeriert wird. Deren Text lautet: "14X // Hastings Triplet // Bausch & Lomb". Vermutlich plausible Erklärung ist, dass hier zwei baugleiche Lupen mit unterschiedlichen Labeln ihren Weg zum Konsumenten finden, die preiswerte "Hastings New York" auf dem Direktweg vom Hersteller in Fernost und die "Bausch & Lomb" über die (sehr viel teurere) Marke Bausch & Lomb. Man kann über dieses bizarre Szenario moralisieren, spotten, lachen oder weinen - auf alle Fälle manifestiert sich hier die Globalisierung mit ihren Produktionsauslagerungen und Fernetikettierungen in klassischer Manier.
Nutzerbeurteilung: Wer eine Steinlupe zu bedienen weiß (direkt vor das Auge hält), wird auch mit diesem Gerät gut zurechtkommen. Das Gesichtsfeld erscheint mit etwa 13 mm etwas knapp, jedoch noch akzeptabel, die Abbildung klar und farbrein. Einen Minuspunkt könnte man für die Kunststoffeinhausung der Optik vergeben, andererseits gefällt die bombensichere Vernietung des Klappmechanismus - da fällt sicherlich kein Schräubchen heraus. Als Bärtierchenauffindungsinstrument hat die 6LED-Lupe von Abb. 1 jedoch nach wie vor die Nase vorn, vor allem wegen des grö฿eren Gesichtsfelds und des LED-Ringlichts.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach