Lupen für Fortgeschrittene (XI) |
Abb. 1: Leitz 10fach Lupe in Wechselfassung (in Schiebehülse, einem "Lupenring") |
Technische Anmerkungen zu Abb. 1: Es handelt sich um eine wahlweise
mobil oder stationär (an einem Präpariermikroskop) einsetzbare Optik.
Bildgebendes Element ist ein verkittetes, seitlich vorbildlich geschwärztes
Dreilinsensystem (ein "Steinheil-Triplett") mit 14 mm Durchmesser.
Der mehrfach verschraubte und nach oben hin praxisgerecht dunkel abgeblendete Optikkopf
alleine wiegt 33,8 g. Die Schiebehülse ist von handwerklich sehr viel einfacherer
Qualität, bringt zusätzlich 11,6 g auf die Waage.
Als Brennweite haben wir 25,5 mm ermittelt, woraus sich nach der bekannten Formel
eine Vergrößerungswirkung V = (250 mm / Brennweite) zu 9,8x ergibt.
Datierung: wohl Anfang des 20. Jahrhunderts. |
Abb. 2: Klassische kleine 10fach Einschlaglupe von Zeiss |
Technische Anmerkungen zu Abb. 2: Als bildgebendes Element wirkt ein verkitteter
Zweilinser (ein "Dublett") mit 13,6 mm Durchmesser, der durch einen sehr schlanken,
fixierenden Gewindering noch zusätzlich um einen weiteren Millimeter abgeblendet wird.
Gewicht 11,7 g. |
An dieser Stelle könnte man, angesichts der hervorragenden Übereinstimmungen
von Beschriftungspezifikation und Messwerten (wohlgemerkt allesamt innerhalb der anzunehmenden Messtoleranz)
zu der Ansicht gelangen, dass derartige Brennweitenmessungen schlichtweg überflüssig seien! |
Abb. 3: Alte Zweilinsen-Einschlaglupe - ohne Beschriftung - mit starker Vergrößerung |
Technische Anmerkungen zu Abb. 3: Eine zweilinsige Einschlaglupe
mit einer Zwischenblende von knapp 7 mm Durchmesser -
aha, da wusste offensichtlich bereits in grauer Vorzeit ein kluger Kopf, dass bei
höheren Vergrößerungen eine Verkleinerung des Blickfelds duch Abblendung nicht nur Sinn ergibt, sondern dringend
erforderlich ist! Handwerklich solide Fassung der beiden Linsen mit Hilfe einer altehrwürdigen Verschraubung
- Reminiszenz an eine Zeit, in der man die chronisch fluchtgefährdeten Linsen mit
diversen althergebrachten Kunstgriffen zu packen versuchte, ganz einfach weil die später üblichen
Gewinderinge nicht zur Verfügung standen.
Griffschalen aus echtem Schildpatt, Abstandshalter des Gehäuses aus Messing, Nieten aus Eisen.
Gesamtgewicht 13,8 g. Das Sehfeld fällt auch bei eingeschwenkter Blende
mit ca. 5 mm sehr respektabel aus. Eine Altersbestimmung ist uns leider nicht gelungen,
wir nehmen jedoch 100 Jahre oder mehr an. |
Abb. 4: Winzige antike Einschlaglupe mit hoher Vergrößerung - ohne Beschriftung |
Technische Anmerkungen zu Abb. 4: Die optisch wirksame Komponente
besteht aus einem sogenannten Coddington-System (einer einfachen Zylinderlinse mit
"Bauch"-Einschnürung). Als Entstehungszeit wird bei diesem Lupentypus
von [Giordano 2006, S. 51] die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts angenommen.
Und in der Tat finden sich bis ins Detail übereinstimmende Abbildungen in deutlich
vor 1850 publizierten Monographien. In Anbetracht des Alters, der hervorragenden
handwerklichen Verarbeitung und der Korrosionscharakteristik gehen wir, trotz des
Fehlens eines Stempels davon aus, dass das Gehäuse aus massivem Silber besteht. Gemessene Vergrößerung:
25,6x, und zwar echte 25! Gewicht 9,2 g. |
Abb. 5: "Winkler&Wagner" Einschlaglupe (um 1913) |
Technische Anmerkungen zu Abb. 5: Diese Lupe wurde von uns
bereits in früheren Journalen ausgiebig vorgestellt und als Superlativ
gepriesen. Hier ist ein winziges Steinheil-Triplett verbaut.
Als Beschriftung findet sich lediglich eine eingepunzte "6", die man jedoch genausogut als
"9" lesen könnte. Der von uns gemessene Vergrößerungswert harmoniert
jedoch weder mit der ursprünglich angenommenen "6" (für 6 mm Brennweite)
noch mit einer möglichen "9" (für 9 mm Brennweite). |
Bemerkenswerterweise existieren aber auch beschriftete Lupen, bei denen die von uns gemessene Vergrößerung nicht so ganz mit der jeweiligen Herstellerbezeichnung übereinstimmt. Und das muss nicht immer gleich ein k.o.-Kriterium sein. Unsere Lieblingslupe zum Auffinden der Bärtierchen ist nach wie vor die "10x" 6 LED-Lupe aus Fernost, deren wohl nicht so ganz exakt zutreffende Vergrößerungsangabe durch das unglaublich hilfreiche LED-Licht mehr als aufgewogen wird: |
Abb. 6: 6 LED "10x" Einschlaglupe - verdammt gut! |
Technische Anmerkungen zu Abb. 6:
Es handelt sich um eine sehr bekannte und mittlerweile dementsprechend weit verbreitete
6 LED Triplett Einschlaglupe aus Fernost. Im Unterschied zu vielen, traurigerweise
massiv falsch deklarierten Ebay-Angeboten liegt hier tatsächlich ein echtes Triplett
aus drei miteinander verkitteten Linsen vor. Die im Vergleich zu einer einfachen Zylinderglaslupe
merklich gesteigerte Abbildungsqualität hatte wir bereits in einem früheren
Journal bildlich dokumentiert.
Als Vergrößerung ermittelten wir einen Wert von knapp 9 - man sollte hier jedoch
nicht zu streng urteilen, weil sich die Abweichung vom Sollwert in Grenzen hält
und in der Praxis kaum eine Rolle spielt. Nutzbares Sehfeld knapp 20 mm. Gewicht 53,9 g. |
Abb. 7: Trockenes Moospflänzchen, durch die 6 LED-Lupe im diffusen LED-Licht betrachtet. Die vielen blauen Punkte im Wurzelbereich sind allesamt eingetrocknete Echiniscen, nur ca. 50 µm lang und deshalb bei anderem Licht kaum mehr zu erkennen. Die blaue "Pfefferung" auf den Moospflänzchen ist jedoch sehr auffällig und charakteristisch. |
Etwas nachdenklich stimmt allerdings die Tatsache, dass
wir bei einem mit "30x" deklarierten 6 LED-Produkt sehr ähnlicher Machart
(sozusagen einem Geschwisterchen) trotz heftiger Bemühungen keinen
über 15x (!) hinausgehenden Vergrößerungswert verzeichnen konnten.
Aber auch so manch andere Lupe angeblich heimischer Provenienz schmückt sich mit
Vergrößerungen, die mit unseren Messungen partout nicht in Einklang
zu bringen sind. |
Literatur |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |