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Mülltonnenhäuschen (II) oder: der Blaue Po im Meopta-Stereomikroskop

Manche Zusammenhänge versteht man nicht auf Anhieb. Wir auch nicht. So hatten wir beispielsweise zum Absuchen der Moose über Jahrzehnte hinweg praktisch ausschließlich das russische MBS-10 Stereomikroskop eingesetzt (siehe hierzu die Journalausgaben April 2012Mai 2012 und Juni 2012).

Bei allen Vergrößerungen verfügt das MBS-10 über einen komfortablen Arbeitsabstand von rund 10 cm. Andererseits wissen wir von den normalen Mikroskopobjektiven, dass sehr hohe Auflösungen immer nur bei kleinem Arbeitsabstand erreicht werden. Zugegeben, es gibt einige Sonderfälle, aber in der Regel muss man nahe ran, um - anschaulich gesprochen - möglichst viele von den Lichtstrahlen aufzufangen, die das Objekt in alle Richtungen schickt. Wir sollten deshalb für maximal hohe Auflösungen normalerweise Mikroskopobjektive einsetzen, die für kleine Arbeitsabstände gerechnet sind.
Nur dann sehen wir das jeweilige Objekt unter einem optimalen (maximal großen) Betrachtungswinkel, den die Physiker als Grundvoraussetzung für hohe mikroskopische Auflösungen erkannt und mit dem Begriff der "Numerischen Apertur" belegt haben.

Das MBS-10 ist wegen seines großen Arbeitsabstands nach wie vor hervorragend geeignet, wenn diffizile Präparieraufgaben im Vordergrund stehen oder das gigantische Sehfeld seiner legendären 14er Okulare für Suchaufgaben zum Einsatz kommen soll. Gleichzeitig signalisieren uns die 10 cm Arbeitsabstand jedoch sehr deutlich, dass dieses Mikroskop nicht in Richtung auf maximale Auflösungen hin maximiert sein kann. Auch die Besitzer der heute gängigen Zoom-Stereomikroskope kommen (vielleicht ;-) irgendwann zu der Einsicht, dass die von den Herstellern fürsorglich beworbenen Zoomobjektive zwar mordsmäßig bequem, jedoch ebenfalls nicht auflösungsmaximiert sein können.

Nach dieser etwas anstrengenden, im Grunde genommen jedoch trivialen Einsicht erinnerten wir uns an die vermeintlich altmodischen und scheinbar aus der Zeit gefallenen Stereomikroskope mit Wechselobjektiven und kleinem Arbeitsabstand. Und, siehe da: Bei immer noch stereoskopischem Bildeindruck gelangen wir mit diesem Mikroskoptypus zu beträchtlich höheren Auflösungen. Das folgende Foto ist nur ein magerer Mono-Abklatsch des Gesehenen. Es lässt jedoch die Bildqualität eines vermeintlich technisch überholten Stereomikroskopes mit kleinem Arbeitsabstand und höherer Objektivapertur erahnen:


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Abb. 1: Ein Echiniscus-Tönnchen vom im letzten Journal erwähnten Mülltonnenhäuschen, mit einer blauen LED-Taschenlampe angestrahlt. Länge des Tönnchens: 0,12 mm. Aufnahme mit einem Meopta G11P (Greenough) Stereomikroskop, 10x Objektiv.
Technische Anmerkung: Wegen der schmalen Okulartuben am Meopta-Stereomikroskop war eine sehr einfache, nicht Meopta-spezifische Kamera-Adaption möglich (vgl. hierzu die Beschreibung im Bärtierchen-Journal von Juli 2019).

Um den Leserinnen und Lesern eine Vorstellung von den Größenverhältnissen zu vermitteln, zeigen wir unten ein mit den selben Mitteln aufgenommenes Makrofoto der Jahreszahl auf einer 1 Cent Münze. Das Bärtierchen-Tönnchen von Abb. 1 würde mit seiner Länge von nur 0,12 mm exakt in die obere Schlinge der "8" der 1 Cent-Münze passen.


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Abb. 2: Detailaufnahme (leichte Schrägansicht) der Jahreszahl auf einer 1 Cent-Münze. Schauen Sie einfach mal in Ihren Geldbeutel - diese Jahreszahlen sind schon verdammt klein! Bildbreite ca. 0,7 mm. Aufnahmebedingungen wie in Abb. 1 (Meopta G11P Stereomikrokop mit angesetztem 10x-Wechselobjektiv).
Wer ein Mikroskop mit 10er Objektiv in Griffweite hat, sollte zum Vergleich auch mal damit die 1 Cent-Münze betrachten. Es wird dann schnell klar, wie weit sich dieses scheinbar harmlose Stereomikroskop in der Welt der "Großen" vorwagt.

Man braucht nun keinesfalls eine besonders teure Ausrüstung, um derartige Bildeindrücke genießen zu können. Das hier lediglich beispielhaft eingesetzte Meopta-Stereomikroskop G11P (unten, Abb. 3) haben wir bei Ebay für wirklich moderate 76 € ersteigert. Vom Design her mag es an einen Storch nach Autounfall erinnern - egal. Im Zusammenspiel mit einer simplen "Jansjö"-LED-Lampe ist es unglaublich flexibel einsetzbar. Dank des Spiegels liefert das G11P Durchlicht-Hellfeld, Durchlicht-Dunkelfeld und natürlich auch das ganz gewöhnliche Auflicht, nebenbei noch fast beliebige Betrachtungswinkel. Deshalb besteht die Möglichkeit, bei Bedarf auch mal einer Wand oder einem ungehobelten Steinklotz mikroskopisch auf die Pelle zu rücken.

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Abb. 3: Ein altes G11P Stereomikroskop der Fa. Meopta mit angesetztem 10fach Objektiv. Hier gezeigt mit weißer Objektscheibenseite - für den Durchlichteinsatz ist eine Klarglascheibe enthalten. Extrem kleiner Arbeitsabstand, aber dementsprechend hohe - und trotzdem stereoskopische - Auflösung. Mit 10er Weitwinkelokularen von Meopta, notfalls aber auch aus völlig anderer Quelle, erreichen wir somit eine immer noch gut nutzbare 100fache Gesamtvergrößerung, wohlgemerkt im Stereomikroskop. Und die Bildqualität bei Maximalvergrößerung scheint uns einem typischen Zoom-Stereomikroskop klar überlegen zu sein.

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Abb. 4: Die mit dem Meopta-Stereomikroskop gelieferte Objektivbox enthält vier Wechselobjektivpaare mit folgenden Vergrößerungen: 2x, 3x, 5x und 10x. Diese können, je nach gewünschter Auflösung und Vergrößerung, in die Aufnehmer-Schwalbenschwanzschiene am Mikroskopkopf eingeschoben werden. Zur einfacheren Handhabung befinden sich seitlich an den Objektiven kleine Griffstifte (chromfarben, im Foto nach vorne ragend).
Der kleine silberne Stift rechts in der Box dient übrigens zur Einstellung der Leichtgängigkeit bzw. zur Fixierung der beiden oberen Stativgelenke. Tja, das waren noch Zeiten, als die Hersteller dem Nutzer die Bedienung derart komplexer Funktionen noch zutrauten!
G11 ist halt doch besser als G8, klar.

Im Ebay-Angebot enthalten war die oben gezeigte, pizzeria-rasengrün ausgepolsterte Box mit immerhin vier Objektivpaaren. Der Arbeitsabstand der höher vergrößernden (längeren) Objektive 5x und 10x ist, wie bereits erklärt, drastisch verkürzt. Die Objektivlinsen befinden sich jeweils ganz vorne, am spitzen Ende der Objektivröhren, und zwar beim 10er Objektivpaar so dicht nebeneinander, wie es konstruktiv gerade noch zu schaffen ist. Der Abstand der Frontlinse zum Objekt beträgt beim 10er Objektivpaar nur noch wenige Zentimeter. Im Gegenzug genießen wir eine - für ein Stereomikroskop - extrem hohe Auflösung, welche uns Fotos wie das obige mit dem blauen Po erlaubt.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach